8 Minuten Lesezeit
Aktualisiert: 12. März 2022
Autorin: Corina Schwarz
8 Minuten Lesezeit
Aktualisiert: 12. März 2022
Sie haben es bestimmt bereits mitbekommen: Die Diskussion rund um das Thema Blackout. In der Photovoltaikbranche steigt der Wunsch nach autarken Anlagen und das Interesse an Notstromlösungen. Diese Artikelserie widmet sich deshalb der Frage, wie wahrscheinlich ein Blackout tatsächlich ist. Um ein überlegtes Fazit zum Eintrittsrisiko eines Blackouts vorzunehmen, wollen wir uns deshalb auch mit historischen Vorfällen beschäftigen. Die prominentesten Blackoutereignisse der Industrienationen sind in folgendem Artikel zusammengefasst.
Auf in die Vergangenheit der Stromgeschichte!
Inhaltsverzeichnis
Im Spätsommer des Jahres 2003 geschah der Blackout, der im Energy Policy Act der USA 2005 zu einer Festlegung von bundesweiten Zuverlässigkeitsstandards des amerikanischen Energiesystems führte. Dazu führte ein Software-Fehler eines US-amerikanischen Energieversorgungsunternehmens (FirstEnergy). Daraufhin gingen an jenem Tage für 55 Millionen Menschen die Lichter aus. Ein Warnsystem des Energieunternehmens hatte versagt und führte zu einer Kaskade an Fehlern im Netz. Schlussendlich kam es zu einer Stromunterbrechung von 2 Stunden bis zu vier Tagen (je nach Region) führte.
Mehr Informationen dazu finden sich im Abschlussbericht der U.S. – Canade Power System Outage Task Force.
Betroffen: ~55 Millionen Menschen
Dauer: bis zu vier Tage
Ursache: Software-Fehler
Kurz nach dem Vorfall in Nordamerika ereignete sich in Italien ein weiterer großflächiger Blackout. In Norditalien hielt dieser nur knapp fünf Stunden an, wobei er in manchen Regionen bis zu 19 Stunden Versorgungsunterbrechungen auslöste. Grund dafür war ein Lichtbogen zwischen Leitung und Baum, der eine Übertragungsleitung zwischen der Schweiz und Italien für zu lange Zeit lahmlegte. Nach gescheiterten Versuchen der Lastverteilung trennte sich dann schlussendlich das italienische vom restlichen europäischen Stromnetz. Daraus folgte ein Stromausfall für ganz Italien und dessen 56 Millionen Menschen. Dieser Vorfall führte zu Diskussionen rund um die Liberalisierung des europäischen Strommarktes. Damit ist die zunehmende Vernachlässigung der Infrastruktur gemeint, die womöglich Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit einzelner europäischer Länder haben könnte.
Mehr zu diesem Ereignis im offiziellen Bericht des UCTE (Union for the Co-ordination of Transmission of Electricity oder zu Deutsch: Union für die Koordinierung des Transports von Elektrizität, die 2009 von der ENTSO-E abgelöst wurde).
Quelle: attivissimo.net
Betroffen: ~56 Millionen Menschen
Dauer: bis zu 19 Stunden
Ursache: Erdung einer transnationalen Übertragungsleitung
Nach mangelhafter Planung und kurzfristigen zeitlichen Verschiebung einer Abschaltung einer deutschen Hochspannungsleitung, spaltete sich das europäische Verbundnetz in drei Teilregionen. Die Instabilität dieses Splits führte in weiterer Folge zu Stromausfällen in weiten Teilen Europas. Schlussendlich waren bis zu 15 Millionen Menschen im Rahmen weniger Sekunden bis zu zwei Stunden betrafen. Die europäische Union rief daraufhin zu rigoroseren Sicherheitsstandards, einer besseren Koordination transnationaler Netzagenturen und mehr Investitionen in die Sicherung der Zuverlässigkeit im Sinne der Versorgungssicherheit des UCTE-Verbundnetzes auf.
Zu diesem Ereignis sagt Professor Auer bei uns im Interview:
„2006 hingegen, wo ein Passieren eines Schiffes an der Ems zu einem Abschalten der Leitung und demnach zu einem Frequenzeinbruch führte, war kein Blackout. Das war eine gewissermaßen normale Situation, wo - übrigens ähnlich wie im Jänner 2021 in Ernestinovo, Kroatien - eine Aufspaltung des Verbundnetzes von Nöten war. Ein Lastabwurf musste - gleich wie im Jänner 2021 - dabei aber nicht geschehen.“
Dieses Ereignis wird also zu Unrecht als Blackout bezeichnet, nachdem ein Lastabwurf, in Form einer Abtrennung eines gesamten Gebietes, nicht geschah. Nach der Definition eines Blackouts, kann man hier korrekterweise also nur von einer großflächigen Störung sprechen.
Mehr zu diesem Ereignis im Bericht der Bundesnetzagentur.
Wegen technischen Problemen führte ein Ausfall eines Kraftwerks in der Türkei 2015 zur Abtrennung vom europäischen Verbundnetz. Auch die Türkei selbst musste stromnetztechnisch in zwei Teile gegliedert werden. Der Vorfall betraf um die 70 Millionen Menschen und hielt in Teilen der Türkei bis zu acht Stunden an.
Mehr Informationen dazu im Bericht der ENTSO-E, der in diesem Fall auch das Zitat enthält, dass Online oft irrtümlich als „Beweis“ für die Instabilität des europäischen Verbundnetzes angeführt wird:
„A large electric power system is the most complex existing man-made machine. Although the common expectation of the public in the economically advanced countries is that the electric supply should never be interrupted, there is, unfortunately, no collapse-free power system.”
Ein Kollaps in diesem Fall meint einen kompletten Zusammenbruch mindestens eines der Teilregionen des europäischen Verbundsystems. Dass ein solcher Kollaps aber noch zu keinem Blackout führt, sieht man an dem Beispiel der Türkei eindrücklich. Der ENTSO-E gelang es, das europäische Netz im richtigen Zeitpunkt zu trennen, sodass benachbarte europäische Länder den Stromausfall in der Türkei nicht zu spüren bekamen. Außerdem folgt dieser Satz nach dem folgenden Statement im Bericht:
„A lesson has been learned from each of the past blackouts in the industrialized countries, which helps to make the transmission system more robust in the future.”
Nach all diesen Ereignissen wurden also extensive Lernprozesse durchgeführt, die solche Vorfälle in Zukunft verhindern sollen. Während es im Nordosten der USA neue Sicherheitsstandards waren, die eingeführt wurden, wurden aus den zwei europäischen Vorfällen Lehren bezüglich des europäischen Verbundsystems gezogen. In beiden Fällen hat man den Wert transnationaler Kommunikation im Energiesektor nochmal hervorgehoben, sowie auch Investitionen in Wartung und Sicherung des bestehenden Energiebinnenmarktes gefordert.
Betroffen: ~70 Millionen Menschen
Dauer: bis zu acht Stunden
Ursache: Ausfall eines Kraftwerks
Eine Liste weiterer globaler, großräumiger Stromausfälle findet sich hier.
Berühmte europäische Beispiele für europäische (beinahe) Blackoutereignisse sind:
Italien 2003, Mitteleuropa 2006 und Türkei 2015. Dabei ist das Ereignis 2006 kein Blackout gewesen.
Eine verlässliche Quelle für Informationen zu diesen Ereignissen, sind Berichte der ENTSO-E.
Diese Störung führte schlussendlich zu einer einstündigen Aufspaltung der kontinentaleuropäischen Übertragungsnetzebene. Ursache dafür war eine punktuelle Dauerüberlastung an einem kroatischen Umspannwerk, was durch fehlerhafte Lastmodellierung zu Stande kommen konnte. Diese Überlastung führte zu einem Ausfall und daraufin zu einer Kaskade an Übertragungsnetzausfällen. Die Resynchronisierung konnte aber bereits eine Stunde später vorgenommen werden, ohne dass ein überregionaler Stromausfall zu Stande kam. Das konnte laut ENTSO-E auch deshalb gelingen, weil auf das europäische Blackoutevent 2006 mit der Einführung von Echtzeit Kommunikationssystemen zwischen Übertragungsnetzbetreibern verschiedener Länder reagiert wurde.
An dieser Stelle sei auch nochmal die viel diskutierte Frage thematisiert, ob die Energiewende dieses Event hervorgerufen hat. Dazu findet sich in der Pressemeldung der ENTSO-E folgendes Zitat:
"The incident on 8 January revealed no issue in relation to generation adequacy or high shares of renewables having an impact."
Demnach war der steigende Anteil erneuerbarer Energien am europäischen Strommix kein Mitgrund für die Störung. Betont wird aber, dass es durch die Energiewende zunehmend zu transnationalen Höchstspannungsübertragungen kommen wird, auf die es sich vorzubereiten gilt.
Mehr zu diesem Ereignis findet sich im ENTSO-E Bericht dazu. (hier eine Zusammenfassung davon) Die ENTSO-E ist ein europäischer Verband, in dem alle Übertragungsnetzbetreiber (in Österreich ist das die APG) Pflichtmitglieder sind. Dieser kümmert sich auch um die Aufarbeitung von Störfällen und stellt sicher, dass die nötigen Lehren aus diesen gezogen werden.
Ein Waldbrand in Frankreich hat die jüngste Störung im europäischen Verbundnetz ausgelöst. Zwei Übertragungsleitungen erlitten wegen eines Waldbrandes einen Kurzschluss, was zu einem (n-2)-Ausfall führte. Nach einer darauffolgenden Überlastung weiterer Leitungen wurde die iberische Halbinsel vom europäischen Verbundnetz getrennt. Aufgrund der Frequenzanomalien wurden nach und nach Lasten vom Netz genommen, um das spanische, portugiesische und französische Netz wieder zu stabilisieren. All das dauerte über eine Stunde, bis eine Synchronisierung mit dem gesamteuropäischen Stromnetz vorgenommen werden konnte.
Mehr zu diesem Ereignis findet sich im ENTSO-E Bericht dazu.
Was wir hier außer der Geschichte der Blackouts lernen können? Dass verlässliche Informationen zu den Ereignissen nur in offiziellen Berichten zu finden sind. Möchte man eines dieser Ereignisse abseits dieser Berichte recherchieren, sind es häufig Meinungsbeiträge mit reißerischen Überschriften, die aus fragwürdigen Quellen zitieren. (z.B. Europa schrammt knapp am Blackout vorbei von stromausfall.info)
In den vergangenen 20 Jahren waren es in Europa vier Events, die das kontinentaleuropäische Verbundnetz zu einer Aufsplittung veranlassten: Italien 2003, Mitteleuropa 2006, Türkei 2015 und Jänner 2021. Durch koordinierte transnationale Kommunikation konnte ein größerer Schaden, beispielsweise in Form eines ganztägigen, überregionalen Blackouts, verhindert werden. Aus all diesen Ereignissen konnte der Verband der europäischen Übertragungsnetzbetreiber (ENTSO-E) wertvolle Schlüsse ziehen, die das System in Zukunft resilienter machen sollen.
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